Bodo HELL

Das Haus Nr.13 (früher Gasthaus „Steirerhof“) gehört nun dem Literaten Bodo HELL 

 

Kurzbiografie

Geboren am 15. März 1943 in Salzburg.
Studien am Salzburger Mozarteum (Orgel), an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien (Film und Fernsehen) sowie an der Universität Wien (Philosophie, Germanistik und Geschichte).
Lebt als freiberuflicher Schriftsteller in Wien, im Sommer als Senner auf einer Alm in der Steiermark.
Literarische Publikationen seit den 70er Jahren experimentelle Prosa und Hörspiele, Text-Foto-Bände, Filme.
Beiträge unter anderem für die Zeitungen "Die Presse" und "Falter" sowie für den ORF.
Beschäftigung mit der zeitgenössischen französischen Literatur.
Zusammenarbeit u. a. mit Friederike Mayröcker, Ernst Jandl, Liesl Ujvary und Hil de Gard.
1997 Leitung eines Kurses im Rahmen der September-Akademie der "Schule für Dichtung".

Preise, Auszeichnungen

1972 Rauriser Literaturpreis des Landes Salzburg
1973 Staatsstipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für Literatur
1975 Förderungspreis für Literatur des Theodor-Körner-Stiftungsfonds zur Förderung von Wissenschaft und Kunst
1976 Förderungsbeitrag des Wiener Kunstfonds der Zentralsparkasse Wien für Literatur
1981 Förderungspreis der Stadt Wien für Literatur
1986, 1987 und 1993 Buchprämie des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst
1988 Förderungspreis des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für Erzählungen
1989-90 Elias-Canetti-Stipendium der Stadt Wien
1991 Erich Fried-Preis für Literatur und Sprache der Internationalen Erich Fried-Gesellschaft Wien
1991 Kulturpreis der Marktgemeinde St. Johann im Pongau

1999 Literaturpreis der Stadt Wien
1999/2000 Projektstipendium für Literatur des BKA

 

 

Seine Bücher bzw. Werke:

 

 

Bücher (Auswahl)

Dom Mischabel Hochjoch, 3 Bergerzählungen, edition neue texte linz 1977/79 (vergriffen)
Stadtschrift, Fotos und Text Linie 13A, edition neue texte linz 1983 (vergriffen)
der Donner des Stillhaltens/Larven Schemen Phantome (mit Friederike Mayröcker), Literaturverlag Droschl Graz 1986, droschl.com
666. Erzählungen (111 Fotografien), Droschl 1987 droschl.com
wie geht’s, Erzählungen (mit 136 Piktogrammen von Hil de Gard), Droschl 1989 (vergriffen)
Die wirklichen Möglichkeiten, Ernst Jandl/Bodo Hell: 2 Reden, Droschl Essay 9, 1992 droschl.com
Gang durchs Dorf: Fingerzeig/Blumenwerk, 24 Panoramafotos Deinzendorf, (mit Friederike Mayröcker, Doppelband in Schuber) Bibliothek der Provinz 1992 bibliothekderprovinz.at
Frauenmantel (zu Fotografien von K.H.Waggerl), Edition Fotohof, Otto Müller Sbg. 1993 (vergriffen)
mittendrin, Erzählungen, Stickbilder von Hil de Gard, Droschl 1994 droschl.com
An der Wien (bibliophiles Künstlerbuch mit Linde Waber), Gaussplatz-11-Verlag 1997 (bei den AutorInnen)
die Devise lautet, Erzählung, edition splitter 1999 splitter.co.at
im Prinzip gilt, Erzählung, edition splitter 2001 splitter.co.at
Ria nackt – Ariadne im Garn (Opernbuch mit R. Deppe und O. Schmiderer) Triton 2002 (Restexemplare vernichtet)
Tracht: Pflicht, Lese- und Sprechtexte, Droschl 2003 droschl.com
Yppenplatz 4356m2 (Bilder von Linda Wolfsgruber), Bibliothek der Provinz 2005 bibliothekderprovinz.at
Frost relaunched (zu Motiven von Th. Bernhard), mit Norbert Trummer und Renate Welsh-Rabady, Bibliothek der Provinz 2006 bibliothekderprovinz.at
* Admont Abscondita, Denk-Bilder aus der barocken Klosterbibliothek, mit Zeichnungen von Norbert Trummer, Bibliothek der Provinz 2008 bibliothekderprovinz.at
Herbe Garbe, Weiberkittel, Von Heiligen, Pflanzen und Substanzen (mit Elsbeth Wallnöfer, Wolfgang und Peter Kubelka,) marmelade.co.at Wien 2008
Nothelfer, Literaturverlag Droschl Essay 60, 2008, Nachauflage 2010 droschl.com
Immergrün, Sudarium. Calendarium (mit Linda Wolfsgruber) Folio Verlag 2011 folioverlag.com

 


CD

Broadlahn live (mit B.Hell und O.Lechner) Extraplatte 2001 extraplatte.com
Singende Eisen, Spangen und Gleise (4 Maultrommeldichter, mit Anton Bruhin, Peter Weber und Michel Mettler), Urs Engeler Editor, Basel/Weil am Rhein 2007, engeler.de


Text- und Hörbeispiele:
lyrikline.org

Musiktheater

Ria nackt – Ariadne im Garn (eine Racheoper), Musik: Renald Deppe, capella con durezza, Regie: Othmar Schmiderer, Bühne: Mario Bräuer, Donaufestival Krems 2002
Donna Juana, Musiktheater für 6 Musiker-Sprecher (mit R. Deppe + Formation Inflagranti) und eine Frauenstimme (Anne Bennent), Rauris/Salzburg 2006


Hörspiele/Radiokunst

ORF, SDR, NDR, RiaS, WDR: zuletzt

Mein Radio und ich (O-Ton), ORF Ö1 28.9.2004
Vom Umarmen/vom Einflüstern, Tonspur 35 (mit Friederike Mayröcker), Wien-Berlin 2010


Theater

Herr im Schlaf (Graz/Schwerin 1995)
Tassen im Schrank (Salzburg 1996)
Gold im Mund (Salzburg 1999)
Mohr im Hemd (Rauris 2000)
Tracht: Pflicht (Graz 2003)


Ausstellungs-/Symposiumskonzeption

AlpenLebenSinnen (Symposium Alte Schmiede/Kunsthalle Wien 1997/98, Katalog Alpenblick)
Schöpfungszeiten (Landesgalerie Linz 2000, Katalog vergriffen)
Auf der Alm ... (Joanneum Schloß Trautenfels 2004/2005, Katalogbroschüre, museum-joanneum.at)
Colloquium Ideographien/Topographien (eros/thanatos, urbs/mons), Lit. Quartier der Alten Schmiede März 2011


Fotoausstellungen
Forum Stadtpark, Galerie Maerz Linz, Fotogalerie Wien (WUK), Galerie Faber u.a.

Filme

Linie 13 A (Saarländ. RF 1981, 6 min)
1 Häufchen Blume 1 Häufchen Schuh (Mitarbeit beim Portrait Friederike Mayröcker, Regie: Carmen Tartarotti, ORF 1990, Preis der Literavision München 1991, 45 min)
mobile stabile (Autobahnen im Gebirge, Simultantext, Regie: O. Schmiderer und H. Friedl 1992, Video 42 min)
Am Stein (Leben im Hochgebirgssommer, Darsteller, Mitkonzept) 1996, Regie: Othmar Schmiderer, 16 mm, 110 min, Preis der Jugend Nyon 1997, Verleih: Cinematograph Innsbruck (VHS und DVDs bei othmarschmiderer.at)
Im Anfang war der Blick, Darsteller im AnimationsFilm von Bady Minck, 35 mm, 45 min, Cannes 2003, DVD amourfou.at (Begleitbuch sonderzahl 2008, sonderzahl.at)


Grazer Autorenversammlung, Bielefelder Colloquium Neue Poesie

Artikel aus der „Die Furche“ booklet zur Nr.32, 06 August 2009

 

Von Hannes Preßl

 

In der literarischen Avantgarde Österreichs führt an Bodo Hell kein Weg vorbei. Auf der Grafenbergalm, östlich des Dachsteingipfels, ist dies zwischen Anfang Juli und Ende September ebenso. Ob man die Wege aus dem Ennstal wählt oder sich von der Viehbergalm im Kemetgebirge nähert - auf der Alm trifft man auf einen Literaten, dessen schneller Schritt und Gewandtheit im unwegsamen Gelände sogar manch jungem Bergfex die Grenzen aufzeigen.

Bereits das 31. Jahr in Folge verbringt der 1943 in Salzburg gebore­ne Schriftsteller seine Sommer als ,,Halter" auf der Grafenbergalm. Hell studierte am Salzburger Mozarteum Orgel und in Wien Film und Fernsehen, Philosophie, Germanistik und Geschichte, ehe er sich ent­schied, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Ein Schlüsselerlebnis dafür war der Rauriser Literaturpreis, den er 1972 erhielt. ,,Ich war ja damals nicht mehr ganz jung, es war aber eine Möglichkeit, das als reale Sache anzusehn," blickt Bodo Hell auf seine Anfangsjahre als Schriftsteller zurück. Dass diese Entscheidung kein Fehler war zei­gen nicht nur sein umfangreiches Werk, sondern auch weitere Aus­zeichnungen. Fragt man den Autor nach einer literarischen Leitfigur, dann nennt er ohne zu zögern Friederike Mayröcker im Bereich der Prosa und Ernst Jandl als Lyriker. Hell sieht sich aber als ,,faktenorien­tierter" Autor. Sein Ziel sei es, sorgfältig recherchierte Fakten in einen Prosazusammenhang zu bringen. Sein Zugang zum eigenen Schaffen hat sich bis heute nicht geändert. Es ist das Verweben von Fakten mit sehr differenzierten sprachlichen Methoden. Diese reichen von der Li­tanei bis zu ausgefeilten Parenthesen, in denen es von Klammeraus­drücken nur so wimmelt.

 

Nicht nur jener Zauberort

 

Bodo Hell arbeitet gerne mit Wissenschaftern zusammen, die sei­ne Themen aus einem anderen Blickwinkel beleuchten, aber auch mit Künstlern, die nicht nur illustrieren, sondern ihren eigenen Weg ge­hen. Wer aber glaubt, Bodo Hell könne seine Zeit auf der Alm zum un­gestörten Schreiben nützen, irrt. Die Alm ist für ihn nicht nur jener Zauberort, der als Inspirationsquelle gesehen wird. ,,Das ist es zwar zu einem Teil, ich möchte aber nicht, dass es darauf reduziert wird. Es ist ursprünglich ein Wirtschaftsraum. Da muss man schon die Wahrneh­mung der Verlieblichung und Verharmlosung korrigieren."

Seine Arbeit als ,,Halter" ist hart und umfangreich. Er ist für das Vieh verantwortlich, das ihm von den Bauern beim Almauftrieb übergeben wird. Selbst der kürzeste Weg zur Grafenbergalm ist keine Kleinigkeit. Aber die Mühe lohnt sich. Den Besucher erwartet ein großzügiger, hü­geliger Almboden, von dem man ein paar Riesen des Dachsteinmas­sives sieht. Pferde, Kühe und Ziegen haben hier ihre Weide. Schaut man durch das Fenster der Hütte ins Innere, sieht man auf dem Tisch fein-säuberlich Ziegenkäse in großen und kleinen Formen angeordnet. Bodo Hell stellt den Käse selbst her - mit der ihm eigenen Ernsthaftigkeit und Liebe zur Qualität.

Die Machtstrukturen zwischen den Almbauern sind oft ebenso hart wie die Lebensbedingungen bei Wind und Wet­ter. ,,Da musst du schon früh aufstehen, auf deiner Alm  weil die so frei daliegt, oben auf dem Stein (Dachstein), dort kommt die Sonne eher herauf und geht später unter als drunten im Tal, das bringt also einen längeren Ar­beitstag mit sich" (ein alter Ennstaler Bauer aus ,,Tracht: Pflicht", Ver­lag Droschl).

Spricht man als ,,Einheimischer" mit Bodo Hell über die Gegend, also über den Dachstein, verfällt man in Demut, weil seine Kenntnisse bis in die kleinsten Details reichen. Er ist ein völlig uneitler, angenehmer Gesprächspartner. Ein Interview wird zu einem Austausch von Sym­pathie und Wissen. Bei Bodo Hell stimmen die Ausdrücke, die Wörter. Es ist alles genau recherchiert und meistens auch selbst erlebt. Er ist ein Kenner, was das Almleben betrifft. Pflanzen und ihre Wirkung, Ge­steinsformen, Flurnamen, handwerkliche Fähigkeiten, die heute kei­ner mehr kennt - sie alle sind dem sprachverliebten ,,Halter" geläufig und manche seiner Schriften können für den Bergwanderer lebensrettend sein, weil sie mit Irrmeinungen aufräumen, die zu Unrecht als gute Ratschläge überliefert wurden. Typisch für seinen Zugang ist auch dabei die Verbindung zwischen einem historischen, persönlichen Schicksal und gültiger naturwissenschaftlicher Erkenntnis.

  

Von Heilpflanzen bis zu den Nothelfern

 

Unter dem Titel ,,Einschlägige Erfahrung" schreibt er in seinem 2003 erschienenen Buch ,,Tracht: Pflicht": ,, - gedacht sei der weiland Mi­chelbäuerin Maria Holzer, die am 30.8.1940, einige hundert Meter ab­wärts am Kampel auf der Rückkehr vom Schweinefüttern, einen ei­sernen Eimer in der Hand, vom Blitz getroffen wurde

wenn ich von einem Gewitter im Freien überrascht werde, ist es am besten, ich knie mich in einiger Entfernung von Bäumen, Sendemas­ten, Kirchtürmen, Häusern, Felsen etc. hin und beuge mich nach vorn über, um mich im Vergleich mit der Umgebung möglichst klein zu ma­chen, oder ich flüchte, so in der Nähe vorhanden, in eine sogenannte Unterstandshütte

Eichen soll man weichen/vor Fichten soll man flüchten/ auch Weiden soll man meiden/doch Buchen soll man suchen/auch Linden soll man finden: eine lebensgefährliche Regel, denn es gibt keine blitzschüt­zenden Baumarten."

Seit Erscheinen dieses Buches hat Bodo Hell zahlreiche literarische Projekte abgeschlossen. In seinem Buch ,,Herbe Garbe, Weiberkittel" beschreibt Hell die Wirkungen der Almpflanzen und die Hintergrün­de ihrer Namensgebung. Durch die Zusammenarbeit mit einer Volks­kundlerin und einem Pharmakognosten, einem Spezialisten, der sich mit den Inhaltsstoffen von Heilpflanzen beschäftigt, hat es auch einen wissenschaftlichen Anspruch. Bodo Hell ist es darin einmal mehr ge­lungen, zusätzlich das umfangreiche Wissen der alten Sennerinnen zu recherchieren und einzubauen. Hells bei Droschl erschienenes Buch ,,Nothelfer" zeugt von seinem Wissen über die 14 Nothelferinnen und Nothel­fer, die in den meisten österreichischen Kirchen präsent sind und die er mit Hil­fe verschiedenster literarischer Formen, etwa Merksprüche, Lieder, Litaneien Redewendungen oder detailreiche Lei­densgeschichten, vorstellt. Es wäre nicht Bodo Hell, hätte er dazu nicht auch Ge­schichten erfunden.